Sonntag, 2. Februar 2014

Rückkehr nach Deutschland

Einige Jahre lebten wir in Südafrika, mein Mann und ich. Irgendwann zog es uns zurück in die alte Heimat.

Ende November 1969 gingen wir in Durban an der Ostküste Südafrikas an Bord der KALAHARI. Ein Frachtschiff, das maximal nur 12 Passagiere mitnehmen durfte. Vorweg: Was wir nicht wussten: der Kapitän war nur vertretungsweise an Bord, war mit Passagieren keinen Umgang gewohnt. Der Koch hatte gerade geheiratet und seine junge Frau war auf „Hochzeitsreise“ mit an Bord.
Dies sollte sich während der Fahrt auch bemerkbar machen. Wir bekamen so viele Varianten von Mirabellen im Hauptmenü sowie als Dessert und in Saucen serviert, dass sie uns buchstäblich aus den Ohren heraus hingen. Noch viele Jahre danach mochten wir keine mehr essen. Blumenkohl z. B. gab es fast jeden 2ten oder 3ten Tag über einen Zeitraum von 6 Wochen.  Deshalb verhungerten wir zwar nicht, aber etwas abwechslungsreicher hatten wir uns die Speisekarte schon vorgestellt.
 


Nun zurück zur Reise von Südafrika nach Bremerhaven. Wir umschifften das südliche Afrika und legten in Port Elizabeth, East London und in Kapstadt an. In Kapstadt lag die KALAHARI für einige Tage im Hafen und wir feierten an Bord auch Weihnachten. Danach ging es weiter nach Walvis Bay, eine Stadt, in der die Fischindustrie zu Hause ist. Unter dieser infernalischen „Fischgeruchsglocke“ mussten wir das Neue Jahr beginnen! Dieser qualvolle Aufenthalt währte vier ganze Tage lang. Um diesem wenigstens zeitweise zu entgehen, beschlossen wir in dieser Zeit per Autostopp nach Swakopmund zu fahren.
 
Die Crew  der KALAHARI hatte Ausgehverbot, sie wurden gebraucht. Die Mannschaft wollte am Silvesterabend auf dem Achterdeck grillen, ihnen fehlte aber die Grillkohle. In Walvis Bay war damals keine zu haben. So erboten wir uns, diese von Swakopmund mitzubringen.

Bis nach Swakopmund klappte es gut mit dem Autostopp. Wir hatten dadurch die Möglichkeit, uns das kleine aber gemütliche Städtchen anzuschauen. 
Swakopmund war seinerzeit der beliebteste Badeort von Namibia, dem damaligen Südwestafrika.
  
Mit einem Sack Grillkohle machten wir uns per Pedes auf den Rückweg. Wir hofften, dass uns ein Autofahrer auf der Strecke mitnehmen würde. Diese Hoffnung war leider vergeblich, weit und breit ließ sich niemand sehen.
 
Wir versuchten im gleichmäßigen Schritt auf dem mit einer dicken Salzschicht bedeckten Sandweg unter der sengenden Sonne zurück nach Walvis Bay zu wandern. Nach ca. drei Stunden hatten wir dann doch noch Glück und wir wurden „aufgegabelt“. Der Fahrer war sehr freundlich und brachte uns bis an unser Schiff. Wir waren aber auch total k.o. , durchgeschwitzt und durstig.
 
Dafür war das Silvestergrillen auf dem Achterdeck gesichert. Mein Mann und ich wurden großzügiger Weise von der Çrew eingeladen mit ihnen zu feiern. Das war schon ein uriges Event.
 
Ich  erinnere mich gern daran, dass wir in einer fröhlichen Runde beisammen saßen. Unter anderem sangen wir ein Lied, zu dem sich jeder schnell den passenden Text ausdenken musste. Wer an der Reihe war musste dann vorsingen und der Refrain wurde von allen mitgesungen. Da kamen natürlich auch sehr lustige Texte zusammen.
 
Die Überquerung des Äquators wurde traditionsgemäß mit einer Taufe gefeiert. Das Schwimmbassin des Schiffes war defekt, so wurden Wassereimer als Ersatz genommen ... Es war sehr nass und es gab viel Gelächter und Gekreische.
 

Ich liebte es, an der Reling zu stehen und die Fische im Meer zu beobachten. Delphingruppen, die mit ihren lustigen Sprüngen begeisterten oder ein Manta (Rochen), der eine zeitlang ruhig neben dem Frachter her schwamm oder auch nur, wenn sich eine Möwe von ihrem Flug an Deck ausruhte.
 
Es war eine schöne und ruhige Zeit, nicht zu vergleichen mit den großen Passagierdampfern, auf denen jede Menge Animation geboten wird.

So allmählich kamen wir dem europäischen Kontinent näher. Wir spürten, dass es kühler wurde. Wir kamen aus dem südlichen Hochsommer in den europäischen Winter hinein. Dann erreichte uns die Nachricht, dass im Ärmelkanal ein heftiger Sturm tobte und einige Schiffe in Seenot geraten waren. Es sollte auch ein Schiffsunglück geschehen sein, bei dem einige Seeleute vermisst wurden.
Unser Kapitän machte sich große Sorgen. Er hoffte, nicht ankern zu müssen. Die Nachrichten wurden emsig verfolgt, aber unsere Reise ging erst einmal weiter. 

Als die ersten Ausläufer der Dünung uns erreichten, wurde die verstellbare Verblendung an den Tischen hochgestellt und eine angefeuchtete Decke aufgelegt. Das Essgeschirr und die Gläser konnten so nicht ins Rutschen kommen.
Einer der älteren Passagiere, der sein Pensionärsdasein in seiner alten Heimat UK verbringen wollte, war ein ausgesprochener Pechvogel. Bei einer plötzlichen Schiffsbewegung verlor er im Bad sein Gleichgewicht und fiel mit seinem nackten Allerwertesten gegen eine Heizung. Die Folge war ein gemusterter schmerzhafter Po. Naturgemäß bekam er Sitzschwierigkeiten. 
Ein anderes Mal, die Dünung war schon ein bisschen höher, ging er auf den gedeckten Tisch zu. Gerade war er am Tisch angekommen als der Frachter sich zur anderen Seite legte. Er wollte sich noch festhalten und griff mit beiden Händen in das Hauptmenü. Vor lauter Schreck dann anschließend links und rechts in die Dessertschalen. Das Ergebnis war ein schallendes Gelächter aller Gäste und er hatte gar keine andere Çhance als mitzulachen. Seine Frau lief unfreiwillig durch die Messe, dabei schlug sie mit dem Kopf gegen die Vertäfelung. Eine leichte Gehirnerschütterung war die Folge.
Alles was nicht niet- und nagelfest war wurde nun festgeschnallt. Zum Beispiel schoss unser schwerer Überseekoffer quer durch die Kabine. Das war schon beeindruckend, aber es sollte noch schlimmer kommen!
 

Nach erreichen der Biscaya war der Sturm zwar abgeflaut, doch die Dünung war noch sehr hoch! Die 10 – 12m hohen Wellen schlugen über Bug und Deck. Die Passagiere durften nicht mehr an Deck gehen.

Das Hauptproblem war die Ladung, die nicht ins Rutschen kommen durfte. 
Zeitweise hatte die KALAHARI bis zu 34° Schlagseite. Bei 38° wären wir gekentert. Aufgrund der Art der Ladung wäre dann kaum eine Überlebenschance gewesen.
Das Schiff wäre sofort gesunken. Der Kapitän und auch der 1. Offizier hatten jedoch alles gut im Griff. Allerdings waren sie drei Tage und Nächte auf den Beinen. Die Anspannung war riesengroß. 

Damit wir nicht aus unseren Betten kullerten, stopften wir Handtücher und alle Schuhe, deren wir habhaft werden konnten, seitlich unter die Matratzen, so dass eine Art Wall entstand. Dadurch mussten wir buchstäblich in unsere schmaler gewordenen Betten klettern.
 

Ab jetzt gab es nur noch Schiffszwieback als Verpflegung. Kochen war unmöglich geworden.
 Der Seegang normalisierte sich erst langsam wieder, als wir den Englischen Kanal passiert hatten. Diesen letzten Abend an Bord verwöhnte uns der Koch sehr mit einem fürs Auge und Gaumen guten Dinner. 

In Bremerhaven angekommen, bekam der Frachter allerdings keinen eigenen Anlegeplatz. Er musste längsseits an ein anderes Schiff anlegen. das direkt an der Kaimauer lag. Es gab somit keine Gangway für uns, über die wir bequem von Bord hätten gehen können.

Die Seeleute heuerten ab und waren verschwunden, voran der Koch mit seiner frisch angetrauten Frau. Man verwies uns an die Schiffahrtsagentur. Zwei Stunden versuchten wir, einen kompetenten Ansprechpartner zu finden. Endlich gegen 10h erwischten wir jemanden. Leider wurden wir dann „im Regen“ stehen gelassen. Wir kamen in Bremerhaven bei -15°C an, hatten keine wirkliche Winterkleidung. Draußen war Eisglätte. Unsere schweren Koffer mussten wir über eine bessere Hühnerstiege über das andere Schiff hinweg an Land schleppen. Ein Handy gab es seinerzeit noch nicht. Ich blieb bei den Koffern und mein Mann suchte irgendwo im Hafen nach einem Telefon um ein Taxi zu rufen. Weil wir zuviel Gepäck hatten  erbarmte sich erst der vierte Taxifahrer und fuhr uns.

Jetzt mussten wir noch durch den Zoll. Wir schwitzten Blut und Wasser, weil in einem Koffer Felle waren. Diese hatten wir im Laufe der Jahre zwar legal erworben  besaßen dafür jedoch keine Zertifikate. Sie wurden aber zur Ausfuhr benötigt.
Der erste Koffer wurde geöffnet, dann der zweite und immer noch fanden die Zöllner nichts. Der dritte Koffer kam an die Reihe - wieder nichts. Den vierten schenkten sie sich dann. Gott sei Dank! War noch einmal gut gegangen. 

Nach diesen ganzen Unbilligkeiten bei der Ankunft wäre ich am liebsten sofort wieder zurück geflogen. Als wir dann aber letztlich völlig g
eschafft  gegen 20h in Hamburg eintrafen kam doch  ein riesengroßes Glücksgefühl in uns auf.

Wir waren wieder in Deutschland!

© by Ingrid Horn

5 Kommentare:

  1. Liebe Ingrid,
    dass du diese Reise nicht vergessen hast, kann ich mir denken. Spannend geschrieben. Eine abenteuerliche Heimreise, die ihr euch sicher etwas ruhiger vorgestellt hattet. Aber dafür hast du nun eine Tolle Erinnerung, die Spass gemacht hat zu lesen. Gruß Helga

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  2. Das stimmt, Helga. Es freut mich, dass dir der Blog gefallen hat und ich danke dir für dein Feedback.
    Mit lieben Gruß von
    Ingrid

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  3. Spannend gemachte Beschreibung einer Heimfahrt mit Hindernissen.
    Solche Erlebnisse vergisst man nicht, sie bleiben für immer im Gedächtnis.
    Es ist trotzdem gut, dass Du die Leser teilhaben lässt an Deinen
    Erinnerungen!
    Auch wenn Mirabellen nun TABU sind für Dich ...
    alles Liebe,
    Horst~

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  4. Vielen lieben Dank, Horst, für deinen mutmachenden Kommentar.
    Auch für dich alles Liebe
    Ingrid

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  5. erst heute - es ist ja schon eine zeit her, dass du uns diese abenteuerliche fernreise erzählt hast, lese ich sie....
    wouw, wie aufregend!!!!!!!!!!!!!!!!! wie abenteuerlich und ungewöhnlic, da hast du ja eine menge gesehen und erlebt, das bleibt wahrscheinlich auf Ewigkeiten in deiner Erinnerung an frühere zeiten und Eindrücke.
    Aber auch toll, dass man das mitgemacht hat, dass man sich traute...und vertraute dass so eine reise am Ende auch gut geht.
    Schöne Erzählung einer spannenden reise, fast wie ein Buch...
    herzlichst Angelface...

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